LOHMANNdialog
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Horch, was kommt von draußen rein

Ausstellung von Barbara-Kathrin Möbius im Hamburger Rathaus, Eröffnung am 30. Mai 2013

Einführung von Professor Heinz Lohmann, Gesundheitsunternehmer und Kunstsammler

 

Meine Frau und ich sammeln ihre Werke schon seit vielen Jahren. Ich kann sogar von mir behaupten, dass ich Barbara-Kathrin im wahrsten Sinne des Wortes entdeckt habe. Es war im Jahr 1993, also genau vor 20 Jahren, als an der Binnenalster eine Open-Air-Ausstellung stattfand. Ganz ehrlich gesagt, ich habe Barbara-Kathrin und ihre Arbeiten zunächst fast übersehen. Sie hatte das „Containertor“ als ihren Ort gewählt, weil sie eine Wäscheleine zwischen den beiden senkrecht aufgestellten Containern spannen und an dieser hängend ihre „Warteschlange“ präsentieren konnte. Es handelte sich bei dieser Arbeit um 44 lebensgroße Pappfiguren, deren menschliche Vorbilder in irgendeiner näheren oder ferneren Beziehung zu ihr stehen. Eine Pappfigur ist dem Hausmeister der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg gewidmet. Er ist mit einem Hund an seiner Seite so dargestellt, dass man ein angespanntes Verhältnis zur Künstlerin unterstellen muss. Zu dem damaligen Zeitpunkt hat Barbara-Kathrin Möbius Freie Malerei an der Hochschule für Bildende Künste studiert. Sehr frei, wie sie selber immer wieder betont.

 

Schon diese erste Begegnung am Alstertor hat eines ganz klar gezeigt, Barbara-Kathrin Möbius hat ihren eigenen Kopf. Wir haben anschließend einen Besuch in ihrer Wohnung in Ottensen gemacht, die damals gleichzeitig auch ihr Atelier war. Der erste Eindruck war überwältigend. Überall lagen Arbeiten auf Papier. Davon waren viele Radierungen. Zu dieser Zeit hat sie sich sehr intensiv mit dieser Technik beschäftigt. Außerdem gab es jede Menge Zeichnungen. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir einzelne Bleistiftzeichnungen in unsere Sammlung aufnehmen konnten. Inzwischen haben wir auch viele andere Arbeiten erworben. Unter anderem die Figur „Busenlady“ aus der „Warteschlange“.

 

Man kann sich der Präsenz ihrer Arbeiten nicht entziehen. Dabei ist alles dargestellt, was notwendig ist, allerdings auch nicht mehr. Deshalb gibt es in ihren Zeichnungen, Aquarellen und auch in den Gemälden durchaus freie Flächen und an anderen Stellen eine sehr große Dichte der Darstellung. Dieses Letztere basiert auf ihrer unbändigen Fabulierlust. Wer sich mit ihr unterhält, erlebt dieses Phänomen auch in ihrer Sprache. Die Gedanken in ihren Geschichten überholen sich, während sie sie erzählt. Bevor eine Geschichte abgeschlossen ist, beginnt schon wieder eine neue. Genauso ist es in ihren Kunstwerken. Die Kunst offenbart, wie Barbara Kathrin-Möbius in der Einladung selbst schreibt, „Licht und Schatten“ unserer Gesellschaft. Sie will mit ihren Bildern, wie sie halb im Scherz und halb im Ernst sagt, „die Welt retten“. Natürlich weiß sie, wie wir auch, dass Kunst Politik nicht ersetzen, aber immerhin Denkanstöße geben kann.

 

Es gibt Betrachter, die erleben ihre Motive und Darstellungen als außerordentlich aggressiv, ja, sogar als zutiefst böse. Etwa, wenn sie im „Hamburger Stadt-Straßentagebuch“ extreme Persönlichkeiten mit fließenden Aquarellfarben und scharfen Federstrichen portraitiert. Wer allerdings ganz genau hinschaut sieht, wie warmherzig, wie einfühlsam die Künstlerin ihr Personal darstellt. Ja, sie rückt sich selbst in die Nähe ihrer Protagonisten. „Das Domgespenst“, „Die Schießbudenfigur“ und „Das Monster vom Dienst“ stehen letztlich stellvertretend für uns alle, natürlich nicht im Erscheinungsbild, aber in der inneren Haltung. 

 

Was macht Gesellschaft aus? Worauf basieren die Werte, die unser Zusammenleben erst möglich machen? Im Kern ist das für mich die Kultur. Wissenschaften, Musik, Theater und eben Bildende Kunst sind die Projektionsflächen. Barbara-Kathrin Möbius arbeitet deshalb auch mit Kindern der Lichtwark-Schule. Eben weil sie gesellschaftliche Arbeit für so wichtig hält. Sie hat mit den Kindern ihr „Hamburger Stadt-Straßentagebuch“ zum „Märchen-statt-Stadt-Straßenstadttagebuch“ weiterentwickelt. Wegen der dafür zwingend notwendigen gesellschaftlichen Resonanz freue mich über öffentliche Ausstellungen, insbesondere natürlich, wie in diesem Fall, hier im Rathaus. In einem Haus, in dem die Menschen und ihre Themen, Sorgen, Nöte und Wünsche präsent sein müssen, wenn Debatten, die an diesem Ort stattfinden, Relevanz haben sollen. Deshalb ist es wichtig, das zu hören, was im „richtigen Leben“ geschieht. Kunst kann da vermitteln.

 

Eine Künstlerin wie Barbara-Kathrin Möbius hat sich die Vermittlungsaufgabe ganz oben auf ihre Agenda geschrieben. Sie „horcht auf das, was von draußen reinkommt“. Sie fokussiert und polarisiert und bringt Herausforderungen genau auf den Punkt. Ihre gesellschaftskritischen Themen erzählt sie mit fantasievollen, surreal anmutenden Bildern, mit großer Ernsthaftigkeit aber nicht ohne augenzwinkernden Humor. Sie spiegeln eben das „pralle“ Leben. Künstler, die so agieren, machen sich nicht beliebt. Sie biedern sich nicht an. Das ist allerdings auch nicht die Aufgabe von Kunst. Aber solche Künstler, wie Barbara-Kathrin Möbius, sind natürlich sperrig. Deshalb bedarf solche Kunst des Schutzes der Gesellschaft. Das ist dann der „Lohn“ für die Übernahme ihrer so wichtigen öffentlichen Funktion, unbequem zu sein und Denkanstöße zu geben. Gerade in unserer Zeit, in der es gilt, eine Neubestimmung der Grundlagen des Zusammenlebens vorzunehmen, sind kulturelle Beiträge so bedeutsam und wichtig. Deshalb muss die Politik agieren und ihrerseits mutig sein. Sie muss der Kunst Freiräume schaffen, um kreative Potentiale wirksam werden zu lassen. Weil die Künstlerin Barbara-Kathrin Möbius in ihrer Kunst keine Kompromisse macht, gilt das für eine wie sie noch einmal mehr. Deshalb ist es auch so gut, dass diese Bilder gerade hier im Rathaus unserer Stadt hängen.